Maibaum 2012Seit 100 Jahren gibt es den Trachtenverein Kirchheim, wenn auch zunächst unter dem Namen „Bayernverein Bavaria“ und in einer Übergangsphase zwischen 1952 und 1964 als „Bayern- und Trachtenverein“. Seit 46 Jahren stellt der Trachtenverein den Maibaum auf.

Begonnen hat diese Tradition 1966 am Vereinsheim. Von 1969 bis 1978 stand der Baum auf dem Alleenschulplatz, wo sich heute die Tiefgarage Krautmarkt befindet, und seit 1979 hat der Maibaum einen Monat lang seinen festen Platz vor dem Kirchheimer Marktbrunnen.

Auf diese geschichtlichen Hintergründe verwies der Erste Vorsitzende des Trachtenvereins, Ernst Hummel, während seine Vereinskameraden in gewohnter Manier die 16 Zentner, die sich auf eine Länge von mehr als 31 Metern verteilen, sicher und zuverlässig in die Höhe wuchteten.

Musikalisch unterstützt wurden die Männer bei ihrer schweißtreibenden Arbeit von der Jugendkapelle der Stadtkapelle Kirchheim und vom Spielmannszug der Feuerwehr.

Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker gratulierte dem Trachtenverein zu seinem 100-jährigen Bestehen ebenso wie zur Kunstfertigkeit seiner Mitglieder, den Maibaum aufzurichten. Der Jugendkapelle wiederum gratulierte sie zum überzeugenden ersten Auftritt unter dem neuen Dirigenten Marc Lange.

Den Maibaum bezeichnete sie als ein Symbol dafür, dass das Leben wieder beginnt und dass der Sommer kommt. Zum Anbringen der Zunftschilder, das ebenso wie die Tänze des Trachtenvereins zum Baumaufstellen gehört, merkte die Oberbürgermeisterin an, dass es in Kirchheim gar keine Zünfte gegeben habe. Vielmehr seien die Handwerker, die die Stadt geprägt haben, in „Bruderschaften“ organisiert gewesen. Der Feierlaune tat diese historische Richtigstellung aber keinen Abbruch.

Der Maibaum ist ein Schmuckstück für Kirchheims Innenstadt,

und das seit fast 50 Jahren. So lange schon stellt Jahr für Jahr der Trachtenverein das Prachtexemplar stilecht mit Bändern, Zunftzeichen und Wappen auf, stets unter großem Hallo, mit Manneskraft und Pferdestärken. – Doch dieses Jahr ist ­manches anders.

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Irene Strifler

Kirchheim. Der Trachtenvereinsvorsitzende Ernst Hummel und die Seinen haben allen Grund, ernste Mienen zu machen. Die Welt scheint sich gegen sie verschworen zu haben, genauer: gegen den traditionellen Maibaum. Dessen Aufstellung alljährlich bedeutet für die Männer nicht nur einen Haufen Arbeit, sie bringt auch ein Riesenfest am 1. Mai in die Innenstadt und sorgt für lang anhaltenden Schmuck.

Zumindest bisher. Im vergangenen Jahr gab‘s richtig Zoff. Hummel und Co. trauten ihren Augen nicht, als sie wenige Tage nach der Aufstellung des Baums plötzlich ins Leere blickten. Das nahende Radrennen war‘s, das die städtischen Verantwortlichen die vorschnelle Beseitigung des Schmuckstücks anordnen ließ. – Entsetzt waren nicht nur die Vereinsmitglieder, sondern auch die Stadtchefin, deren Blick aus dem Bürofenster normalerweise rund vier Wochen lang wohlwollend auf den geschmückten Baum fällt.

Viele Gespräche waren nötig, um die Wogen zu glätten. Schließlich war klar: Der Trachtenverein steht weiter zur Tradition. Das fiel ihm umso leichter, als mittlerweile das Aus für das Radrennen bekannt wurde.

Dessen Organisator hatte die Trachtler aufgebracht, als er öffentlich mit der Aussage zitiert wurde, „den Eiertanz um den Maibaum“ nicht mehr mitmachen zu wollen. Doch wer zuletzt lacht, lacht bekanntlich am Besten: Am „Eiertanz“ liegt‘s nicht, eher am Sponsorengeld, dass der Maibaum weiter besteht, wogegen das Radrennen Geschichte ist.

So weit, so gut. Kürzlich jedoch ist den Trachtenvereinsmitgliedern das Lachen dann doch gründlich vergangen. Alle zwei Jahre, so plötzlich die behördliche Anordnung, müsse der über 25 Meter hohe Stamm, der die die jeweils frische Baumkrone trägt, erneuert werden – aus Sicherheitsgründen. Schließlich soll er nicht kippen. „In Bayern stehen die Bäume locker fünf Jahre am Stück und das nicht nur jeweils vier Wochen“, empört sich Hummel über die vermeintliche Schikane. Doch eine gründliche Inspektion ließ die Kritiker verstummen: Zwar liegt das Prachtstück sicher verwahrt im Bauhof. Dennoch weist der alte Stamm mit einem Durchmesser von 20 Zentimetern tiefe Risse auf. „So was ist in 50 Jahren noch nicht vorgekommen“, rauft man sich beim Trachtenverein die Haare.

Jetzt stand die Maibaumtradition in Kirchheims Stadtmitte ernsthaft auf der Kippe. Ein auf die Schnelle geschlagener Stamm ist nämlich nass und schwer. „Anmalen kann man ganz vergessen, ebenso das Aufstellen von Hand“, lautet die frustrierte Auskunft beim Verein. Doch alles Lamento hilft nichts. Spielverderber wollen die Trachtenvereinler ganz gewiss nicht sein. Deshalb haben sie sich zu einer außerordentlichen Sitzung getroffen. Ergebnis: „Es wird auch dieses Jahr wieder einen Maibaum geben.“ Selbiger ist mittlerweile längst geschlagen und geschält. Anfahrt per Pferdewagen und Aufstellen mit „Hauruck“ und Muskelkraft gehören diesmal aber nicht zum Programm: Das schwere Ungetüm wird schon am 29. April mit dem Kran in die Vertikale gebracht. „Ein Fest gibt‘s trotzdem“, tröstet Hummel Bürger und Maibaumfreunde.

Am Freitag, 1. Mai, steigt das Maibaumfest in Kirchheim mit den Gruppen des Trachtenvereins, der Stadtkapelle Kirchheim und dem Spielmannszug der Feuerwehr. Gegen 11 Uhr wird der Baum auf dem Marktplatz errichtet, anschließend wird getanzt. Eine Feier beim Vereinsheim des Trachtenvereins schließt sich an.

Der Tanz um den Maibaum ist dieses Jahr komplett ins Wasser gefallen:

1mai2015Der Regen zum 
gestrigen Maifeiertag hat den geplanten Auftritt des Kirchheimer Trachtenvereins vereitelt. Einziger Vorteil: Sicherheitsbestimmungen hatten es notwendig gemacht, kurzfristig einen frischen Baum aufzustellen. Und das hat seine Tücken, wie Ernst Hummel, der Erste Vorsitzende des Trachtenvereins, gestern am Mikrofon erläuterte: „Der Baum ist sehr schwer, weil er noch voll im Saft steht.“ Er wäre also ohnehin zu schwer gewesen, um ihn traditionell mit reiner Mus­kelkraft in die Höhe zu hieven.

Der Regen prägt das Bild. Die kurze Maibaum-Zeremonie bestand deshalb auch nur im Anbringen von Flaggen und Zunftzeichen.Foto: Deniz Calagan

Deshalb war der Kirchheimer Maibaum – entgegen jeder Tradition – bereits zwei Tage vor dem 1. Mai per Kran neben dem Kirchheimer Marktbrunnen „aufgepflanzt“ worden. Gerade das sollte sich im Nachhinein als Glücksfall erweisen. Weil sich der Wonnemonat an seinem ersten Tag alles andere als wonniglich zeigte, hätten die starken Männer des Trachtenvereins auch einen älteren, ausgetrockneten Baum nicht stemmen können: „Dazu wäre es heute viel zu glatt und zu rutschig.“

So kam es gestern also zum schnellsten „Aufstellen“ in der Kirchheimer Maibaum-Geschichte. „Wir können bei dem Wetter leider nicht tanzen und nicht schuhplatteln“, meinte Ernst Hummel zur Absage eines wichtigen Programmpunkts. Und auch die traditionelle musikalische Begleitung durch die Jugendkapelle der Stadtkapelle Kirchheim und durch den Spielmannszug der Feuerwehr musste entfallen, weil der Regen den Instrumenten noch weitaus mehr zugesetzt hätte als den Spielern.

Trotzdem dankte Ernst Hummel den zahlreichen Zuschauern dafür, dass sie sich nicht davon abhalten ließen, dem kurzen Spektakel beizuwohnen. Es bestand letztlich darin, dass Flaggen und Zunftzeichen am „nackten“ Baum angebracht wurden. Durch diese Zeremonie gibt es tatsächlich erst seit gestern einen „richtigen“ Maibaum in Kirchheim.

Speziell die Flaggen – die deutsche, die französische, die ungarische und die europäische – haben in diesen Maitagen eine große Bedeutung in Kirchheim: Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker konnte gestern nämlich eine Grundschuldelegation aus Kirchheims französischer Partnerstadt Rambouillet begrüßen. Außerdem wies sie darauf hin, dass am Muttertag-Wochenende in Kirchheim das 25-jährige Bestehen der Partnerschaft mit dem ungarischen Kalocsa gefeiert wird, ganz im Zeichen der europäischen Freundschaft.

Dem Trachtenverein dankte sie dafür, dass er die Tradition des Maibaums in Kirchheim hochhält, und dafür, dass er zum Kalocsa-Wochenende – bei hoffentlich besserem Wetter – seine Tänze tatsächlich unter freiem Himmel aufführen wird. Zur gestrigen Regen-Misere sagte sie, an Vereinsmitglieder und Publikum gewandt: „Bei gutem Wetter kann jeder. Sie zeigen, dass es auch bei schlechtem Wetter geht.“

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